Geschichte & Entwicklung
Dienstgemeinschaft ist ein wesentlicher Grundbegriff in der Grundordnung, der MAVO und den KODA-Ordnungen. Bereits in der Erklärung der deutschen Bischöfe zum kirchlichen Dienst 1983 wurde sie als maßgebliches Strukturelement bezeichnet.
Der Begriff wird sowohl in der katholischen wie in der evangelischen Kirche als Grundlage des Miteinander von Dienstgeber und Mitarbeiter im kirchlichen Arbeitsrecht verstanden. Dienstgemeinschaft wurde als „Teilhabe am Heilswerk Christi“[1], als Beitrag „zur zusammenfassenden und grundlegenden Kennzeichnung des kirchlichen Dienstes als Teil des kirchlichen Lebens“[2] definiert. Schon ab den 1970er Jahren gab es Bemühungen den Begriff theologisch zu füllen,[3] gleichzeitig diente er zur Begründung für kirchenspezifische Kündigungen.
Seit den 1990er Jahren wurde selbstverständlich mit dem Begriff operiert[4], aber auch zunehmend zwischen arbeitsrechtlichen und theologischen Aspekten unterschieden, da eine biblische Begründung für das heutige kirchliche Arbeitsrecht als unangemessen angesehen wurde. Diese Anstrengungen wurden noch verstärkt, nachdem Herman Lührs auf national-sozialistische Wurzeln des Begriffes hingewiesen hatte.[5] Im Anschluss daran verlagerte sich die Diskussion wieder nach und nach auf die arbeitsrechtliche Ebene.
Einen neuen Anstoß erfuhr der Dienstgemeinschaftsdiskurs nach der Novellierung der Grundordnung 2015. Angestoßen von Diskussionen in mehreren bayerischen Diözesen wurde der Versuch unternommen, unter dem Aspekt einer neuen Führungskultur in kirchlichen Einrichtungen von der Personen- zur Institutionenorientierung in der Grundordnung zu gelangen[6]. Dabei sollten einseitige Loyalitätsanforderungen an Mitarbeitende zu einem umfassenderen Dienstgemeinschaftsbegriff entwickelt werden.
Im Zuge dessen wurden Aspekte erarbeitet, wie angesichts gesellschaftlicher und rechtlicher Veränderungen, das spezifisch Christliche in kirchlichen Einrichtungen glaubwürdig gestaltet und weiterentwickelt werden kann.
Unbestritten bleibt der Begriff der Dienstgemeinschaft ein wesentliches Strukturelement in allen Bereichen des kirchlichen Arbeitsrechtes, solange das Selbstregelungsrecht der Kirche[7]
Verfassungsbestandteil ist und kirchliches Arbeitsrecht Anwendung findet. Insofern bleibt es eine prozesshafte Aufgabe, den Begriff der Dienstgemeinschaft inhaltlich immer wieder neu zu füllen und weiter zu entwickeln. Im Umkehrschluss kann dieser Prozess auch parallele politische, juristische, theologische und ökonomische Diskurse befruchten.
Konkret sichtbar wird diese Prozesshaftigkeit auch in der Präambel der MAVO: Weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Dienst in der Kirche mitgestalten und mitverantworten und an seiner religiösen Grundlage und Zielsetzung teilhaben, sollen sie auch aktiv an der Gestaltung und Entscheidung über die sie betreffenden Angelegenheiten mitwirken unter Beachtung der Verfasstheit der Kirche, ihres Auftrags und der kirchlichen Dienstverfassung. Dies erfordert von Dienstgebern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Bereitschaft zu gemeinsam getragener Verantwortung und vertrauensvoller Zusammenarbeit. [1]
Und zum Schluss: Wir haben zu verstehen, dass betriebliche Mitbestimmung in kirchlichen Einrichtungen neben der Verlebendigung von Kernaussagen der katholischen Soziallehre gerade auch der Erfüllung des Sozialstaatsgebotes gemäß Art. 20 GG dient[2].
[1] Reinhard Richardi, Die Sonderstellung der Kirche im Arbeits- und Dienstrecht“, in: Holthausener Manuskripte 3/89, 26.
[2] Josef Jurina, Die Dienstgemeinschaft der Mitarbeiter des kirchlichen Dienstes, in: ZevKR 29 (1094) 171 -188
[3] Theodor Herr, Arbeitgeber Kirche – Dienst in der Kirche. Biblische und theologische Grundlagen, Paderborn 1985.
[4] So lautet der Titel der Festschrift für Wolfgang Rückl Grundkonsens in der Dienstgemeinschaft, hrsg. Von J. Eder/M. Floß, Winzer 2006, die Artikel zu verschiedensten Themen aus dem kirchlichen Arbeitsrecht enthält und zeigt, dass Dienstgemeinschaft als Leitbild angesehen wurde.
[5] Vgl. Hermann Lührs, Kirchliche Dienstgemeinschaft, Genese und Gehalt eines umstrittenen Begriffs, in: KuR 2/2007
[6] So auch der Titel der Hirschberger Gespräche 2016.
[7] vgl. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs 3 Weimarer Reichsverfassung
[8] Präambel R-MAVO 2017
[9] Kittner; Arbeits- und Sozialordnung 2020; Vorrede zum Grundgesetz; S. 952